Tierische Seelengefährten

von Isabell Maurer

Was wir von Tieren lernen können und warum sie unser Leben so sehr bereichern

Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund. Schon Hildegard von Bingen wusste um die Wohltat von Tieren für unser Leben. Ähnliches konnten wir auch während der letzten Jahre feststellen. Laut PETA haben im Jahr 2020 1,4 Millionen Haustiere mehr als in den Jahren davor ein neues Zuhause allein in deutschen Haushalten gefunden. Dass viele davon nach einiger Zeit in Tierheimen abgegeben wurden, ist ein anderes (trauriges) Thema. Doch die Zahl verdeutlicht: Wenn die Welt im Außen zu einem unsicheren Ort wird und alles anders ist als zuvor, finden wir Halt in Tieren.

Tiere zeigen uns, wie bedingungslose Liebe funktioniert

Doch warum ist das so? Was macht Tiere und das Zusammenleben mit ihnen so besonders?

Einer der elementarsten Faktoren ist sicherlich, dass sie uns auf sanfte, ganz subtile Weise zeigen, was bedingungslose Liebe in ihrer Ganzheit bedeutet und wie sie gelebt wird. Da wird kein Unterschied gemacht, ob wir reich oder arm, gesund oder krank, hübsch oder weniger ansehnlich sind. Sie schenken uns ihr Herz. Einfach so. Ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Na gut, ab und an den Magen zu füllen, das wäre schon ganz nett. Aber es gibt kein: „Ich liebe dich nur, wenn du X oder Y machst, wenn du mir das kaufst oder das zu mir sagst.” Diese bedingungslose Liebe kennen wir sonst oft nur von Kindern. Auch sie begegnen der Welt mit offenem Herzen und erinnern uns in dem Zuge daran, wie einfach das Leben manchmal sein kann.

Selbstverständlich haben weder Tiere noch Kinder die Verantwortung zu tragen, die auf den meisten von uns lastet. Da ist es einfach, unbeschwert zu sein, mag der ein oder die andere von euch denken.

Leben im Hier und Jetzt. Wie das geht? Unsere Tiere machen es uns vor

Doch sind wir mal ehrlich. Haben wir wirklich so viele Themen und Herausforderungen, dass es gerechtfertigt ist, sich den ganzen Tag darüber den Kopf zu zerbrechen? Keine Sorge, die Frage ist rhetorisch gemeint. Doch sie bringt mich zu einem weiteren wesentlichen Punkt, welcher das Dasein mit Tier so angenehm macht: Sie leben im Hier und Jetzt. Sie zerbrechen sich ihren Kopf nicht über den nächsten Tag oder das gestrige Krisengespräch. Nein, sie räkeln sich in der Sonne, beobachten gespannt den Schmetterling, der in der Frühjahrsluft durch die Blumen gleitet, sie erfreuen sich an ihrem geliebten Mittagsschlaf. Und selbst wenn es ihnen nicht so gut geht, nehmen sie dies an.

Sind sie krank, legen sie sich hin und schlafen. Sie schmeißen sich nicht zig Tabletten ein, um am nächsten Tag wieder fit zu sein oder um die Abendrunde mit Freundin Emma bestreiten zu können. Nein. Krank ist krank. Sie nehmen den Moment an, so wie er ist. Ohne ihn ändern zu wollen. Ohne sich zu ärgern. Wow. Welch Weisheit. Welches Vorbild. Und welch Unterschied zu vielen von uns. Denn wie viel Energie stecken wir in Dinge, die wir nicht beeinflussen können? Und wie viel Kraft investieren wir dabei, die wir woanders so viel besser nutzen könnten? Keine Sorge, die Frage ist abermals rhetorisch. Ich für mich kann allerdings sagen: Oft. Viel zu oft.

Den jetzigen Augenblick bewusst zu leben und zu lernen, Dinge, die nicht beeinflussbar sind, loszulassen – für mich sind das wichtige Schritte auf dem Weg zum inneren Frieden. Wir Menschen dürfen das im Laufe unseres Lebens lernen, sofern wir es möchten. Einige schaffen es, andere nicht. Diesen Lernprozess müssen Tiere jedoch nicht beschreiten. Denn sie wissen es intuitiv. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum ihr Leben meist so viel kürzer ist als das von uns. Sie müssen nicht erst gen Weisheit streben, sie sind es auf so vielen Ebenen.

Sind wir achtsam, können wir viel von ihnen lernen. Ich denke, dass wir diese Reinheit und instinktive Klugheit, die von Tieren ausgeht, intuitiv spüren und uns deshalb so wohl mit und bei ihnen fühlen.

Therapeuten mit dickem Fell

Für viele Menschen sind ihre tierischen Begleiter beste Freunde, Seelentröster, Herzöffner, ja, sogar stille Therapeuten. Was glaubst du, wie viele Geschichten schon so ein manches Hunde- oder Katzenohr gehört hat? Mein Pferd Dusty, das mich nun schon seit 25 Jahren begleitet, kann ein Lied davon singen. Er kennt jeden Liebeskummer, alle Gespräche mit Vorgesetzten und Kollegen – ob die tatsächlichen oder die im Vorfeld konstruierten, jegliche Pro- und Contra-Liste. Kurzum: er weiß alles von mir. Er war und ist noch immer mein engster Vertrauter.

Ihm konnte ich Dinge erzählen, die ich mit niemandem teilen wollte. Natürlich habe ich nie eine Antwort erhalten. Aber wer weiß: Vielleicht liegt ja genau darin der Schlüssel, das Geheimnis. Wir brauchen nicht immer eine Antwort, denn meistens liegt diese schon in uns verborgen. Oft reicht ein geschützter Rahmen, um uns zu öffnen, damit die Antwort uns finden kann. Einen Ort, an dem wir angenommen werden, wie wir sind, an dem wir uns vollständig und geliebt fühlen. Einen Ort der ehrlichen Begegnung. Und genau diesen Ort schaffen unsere Tiere, ohne etwas dafür zu tun. Sie sind einfach da und laden uns dadurch ein, es ihnen gleich zu tun. Sein. Einfach nur sein. Mit allen Stärken, Schwächen, Gefühlen und Sorgen.

Was für eine Wohltat in einer Welt, die voller Erwartungen an uns ist. Die uns stets suggeriert, nicht gut genug zu sein, uns trimmt, besser, erfolgreicher und schneller zu werden. Für Tiere sind wir jedoch so, wie wir sind, perfekt. Und sie für uns …

→ Den ganzen Artikel aus CHI 03/23 und wie Menschen um ihre Tiere trauern kannst du hier kostenlos nachlesen

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