Warum uns unsere Erwartungen berauben können

von Bettina Kreps

Vielleicht ist dir auch schon einmal aufgefallen, dass Erwartungen auch eine Einbahnstraße sein können. Oft sind wir in unserer Partnerschaft so in unserem Tunnelblick darüber, was der Partner alles sein und machen sollte, dass wir gar nicht erkennen, welche Chancen wir uns dadurch selbst nehmen.

 

Wir kreieren ein Bild dessen, wie und was sein soll, dass wir uns der Erfahrungen berauben, die entstehen, wenn wir uns einfach nur hingeben. In welche Einbahn wir uns dadurch begeben, sehen wir oft erst dann, wenn wir frustriert sind und merken, dass wir uns selbst sabotiert haben, weil wir zu viel erwartet haben.

Lass uns dieses Phänomen einmal näher betrachten

Stell dir eine deiner Erwartungen an deinen Partner vor. Sieh sie in der Ferne und sieh auch den Weg zu ihr und wie alles auf dieses Ziel fokussiert ist. Du bist so darauf konzentriert, dass du gar nicht nach links und rechts siehst. Aber was passiert dann mit all dem, was um dich herum noch läuft? Du siehst es nicht, du nimmst es nicht wahr – es ist einfach für dich und dein Leben nicht vorhanden. Und genau da läufst du Gefahr, dass du die Geschenke um dich herum gar nicht erkennst.

Wenn du aber diese Erwartung nicht um jeden Preis erfüllt haben möchtest, sondern sie nur als Wunsch äußerst, passiert folgendes: Du gibst dich wieder dem Fluss deines Lebens hin und öffnest dich für seine Möglichkeiten. Du beginnst, dich nicht auf das Ziel zu versteifen, sondern lässt los. In diesem Fall kann dein Partner dir diesen Wunsch auf seine Art erfüllen oder auch nicht. Aber was du auf alle Fälle gewinnst, ist die Erkenntnis, dass du dein Glück nicht von ihm abhängig machst, sondern selbst dafür verantwortlich bist, und dadurch all die Möglichkeiten um dich siehst, die dich glücklich machen. Du versteifst dich nicht darauf wie dein Tag sein soll, bis genau das eintritt, was du erwartest, sondern lebst dein Leben und wenn dann etwas zutrifft, was du gerne hast, ohne es zu erwarten, freust du dich umso mehr, da du auch noch überrascht bist.

Wenn du es erwartest und es erfüllt sich, merkst du sehr schnell, dass es dir gar nicht so viel Freude macht, denn durch die Erwartung bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Wenn du es aber nicht erwartest und dein Partner überrascht dich, freust du dich aus der Tiefe deines Herzens. Und diese Freude ist dann echt.

Nehmen wir an, du hast Geburtstag und erwartest von deinem Partner, dass er sich frei nimmt, dich überrascht und den Tag mit dir verbringt. Du siehst euch schon beim romantischen Spaziergang und die Blumen auf dem schön gedeckten Frühstückstisch. Dein Partner steckt aber gerade mitten im Arbeitsstress, und kann an nichts anderes als an sein Problem denken. Der Kollege ist krank, sodass er sich nicht frei nehmen kann und das Geburtstagsgeschenk, dass er in seinem Stress zu spät bestellt hat, wird nicht rechtzeitig geliefert. Statt dir von seinem Problem zu erzählen, grantelt er herum und fährt morgens frustriert zur Arbeit.

Du wachst auf und merkst, dass du heute weder einen Abschiedskuss bekommen hast, noch hat er morgens an deinen Geburtstag gedacht. Unglücklich startest du in deinen Tag. Deine Freundin ruft dich zwar überraschend an und lädt dich zum Frühstück ein, doch du bist einfach nur gefrustet, weil dein Tag nicht so verläuft, wie du es dir ausgemalt hast. Den ganzen Tag über bist du in einer miesen Stimmung und dir ist nicht bewusst, was du deinem Partner alles auflädst, das er in diesem Moment gar nicht erfüllen kann. Als er abends heimkommt, merkt er deine üble Stimmung und statt eines schönen Abends endet der Tag im Streit, weil du ihm vorwirfst, dass du ihm nicht wichtig bist und er dir vorwirft, dass du nicht siehst wie gestresst er gerade ist.

Wer von uns kennt diese oder eine ähnliche Szenen nicht?

 

Wenn du aber beginnst, dein Glück in deiner Hand zu halten, und deine Bedürfnisse selbst zu befriedigen, dann kann dieser Tag auch ganz anders ausgehen. Du freust dich, wenn du morgens aufwachst, dass du deinen Geburtstag heute so gestalten kannst, wie du es in dir fühlst. Du nimmst die Einladung der Freundin an, ihr verbringt einen herrlichen Tag und du schickst deinem Schatz vielleicht ein Foto von eurem gemeinsamen Frühstück. Du öffnest dich für all die Möglichkeiten und bist dir bewusst, dass du für dich und dein Glück selbst verantwortlich bist. Wenn dein Partner dann abends nach Hause kommt und eine freudestrahlende Frau vor sich hat, muss er sich nicht dem schlechten Gewissen hingeben, sondern kann dir offen gegenübertreten. Vielleicht sagt er dir sogar, dass er sich den Tag anders vorgestellt hätte, es aber in dem Rahmen, in dem er sich gerade bewegt hat, nicht möglich war. Durch die Leichtigkeit, die du in diesem Moment ausstrahlst, taucht auch er in diese Energie mit ein und es kann noch ein schöner Abend entstehen.

Mit unseren Erwartungen senden wir auch Bedürftigkeit aus. Ich bin bedürftig und du sollst dieses Bedürfnis in mir erfüllen. Du bist für mein Glück verantwortlich. Und wenn – wie im Beispiel oben – der Partner gerade voll gestresst ist und seinen Kopf ganz woanders hat und dann noch diese Erwartung und Bedürftigkeit spürt, fühlt er sich erst recht überfordert, weil er all dem einfach nicht gerecht werden konnte.

Und umgekehrt: Möchtest du für die Bedürfnisse deines Partners verantwortlich sein? Möchtest du seine Bedürftigkeit erfüllen? Oder freust du dich, wenn du ihm eine Freude bereiten kannst, die nicht erwartet oder gefordert wurde. Gerade an so bestimmten Tagen planen wir, wie alles sein soll und was wir uns erwarten. Dadurch nehmen wir uns die Möglichkeiten, die am Rande des Weges auf uns warten und uns echte Überraschungen und Bereicherung in unser Leben bringen.

Nimm dir einmal ein Blatt Papier und schreibe auf, was du alles erwartest und wie du selbst in dir für ein Gefühl befriedigen kannst, um es nicht vom Außen zu erwarten. Und dann sei gespannt, was alles passiert, wenn du nichts mehr erwartest. Ich liebe diese Momente in meinem Leben, wo ich mit Dingen oder Worten überrascht werde, die mir tiefe Freude und Erfüllung bringen. Heute denke ich noch manchmal an die Zeiten zurück, in denen ich mir so viel erhofft und erwartet habe. Wie oft kam es zu Frust und unnötigen Streitereien, weil sich meine Erwartungen nicht erfüllt hatten! Wie viele Momente und Möglichkeiten hatte ich mir dadurch genommen!

Wenn du beginnst, für dein Glück selbst verantwortlich zu sein, öffnen sich neue Türen und du siehst auch die Blumen am Wegesrand, statt nur das manchmal unerreichbare Ziel am Ende des Weges.

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