Aufrecht durch den Büroalltag

von Alexandra Meraner

„Sitzen ist das neue Rauchen!“ – Man kann diesen Satz schon fast nicht mehr hören, Aber man kann es eben nicht oft genug sagen: Unsere Körper sind einfach nicht dafür gebaut, stundenlang in einer Position zu verharren – und das gilt für alle Positionen.

Warum das Sitzen hier so eine primäre Rolle spielt, hat seinen Ursprung vor allem in der Muskulatur und den unterschiedlichen „Eigenschaften“ von Muskelfasern: Es gibt Muskelfasern, die bei mangelnder oder falscher/einseitiger Belastung dazu neigen, zu verkürzen und zu verspannen. Diese sogenannten „tonischen“ Fasern findet man bei einigen Muskeln unserer ventralen (vorderen) myofaszialen Strukturen. Währenddessen weisen viele Muskeln im Rückenbereich überwiegend „phasische“ Muskelfasern auf. Diese Fasern tendieren zur Überdehnung und Abschwächung, wenn sie nicht ausreichend gekräftigt werden. Myofasziale Strukturen sind miteinander verbundene Strukturen bestehend aus Muskeln und faszialem Gewebe, die sich durch unseren gesamten Körper ziehen.

Warum spielt der Unterschied zwischen phasischen und tonischen Muskeln jetzt aber so eine große Rolle?
Während des Sitzens befinden wir uns in einer Position, in der die jeweiligen Schwächen der Muskelfasertypen verstärkt werden: Die Rückenmuskeln werden durch den Rundrücken gedehnt, während die vorderen Muskelsysteme gleichzeitig durchgehend in einer verkürzten Position sind. Die hinteren Muskelketten verlieren also ihre Kraft, um uns in die Aufrichtung zu ziehen und die vorderen Muskelketten ziehen uns durch die Verkürzung noch mehr in die runde, gebückte Haltung.

Die dadurch entstehenden Haltungsschäden, betreffen primär die Brustwirbelsäule und die Lendenwirbelsäule. Im Bereich der Brustwirbelsäule entwickelt sich eine Hyperkyphose („Rundrücken“) und im Bereich der Lendenwirbelsäule eine Hyperlordose(„Hohlkreuz“), weil die verkürzte Hüftbeugemuskulatur das Becken hinten nach oben zieht.

Beide Haltungsschäden können unterschiedliche Folgen haben: Die extrem ausgeprägten Krümmungen sorgen für eine schlechtere stoßdämpfende Wirkung der Wirbelsäule und führen häufig zu Bandscheibenproblemen. Aufgrund des Rundrückens, der den Raum in unserem Brustkorb reduziert, verringert sich zudem meist unser Atemvolumen.

Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen sind auch keine seltenen Folgen von zu langem Sitzen und zu wenig Ausgleichsbewegung. Ebenso kommt es oft zu Augentrockenheit, Augenmigräne, Spannungen im Kiefergelenksbereich und noch vielem mehr.

Aber abgesehen von physischen Auswirkungen hat die nach vorne gebeugte Haltung auch einen starken Einfluss auf unsere Stimmung und unsere Psyche! Wir fühlen uns klein, unglücklich, unzufrieden und sind weniger selbstbewusst, wirken unsicher oder vielleicht auch ängstlich.

Eine aufrechte Haltung verbessert also nicht nur unsere muskulären Systeme. Durch eine optimale Haltung und Aufrichtung kommen wir wieder in unsere Kraft und stärken unser Selbstbewusstsein. Probleme erscheinen kleiner und leichter zu bewältigen.

Wegen all dieser Gründe ist es so wichtig, die vorderen Muskelketten zu dehnen und die hinteren zu kräftigen, um diesen Dysbalancen und den daraus resultierenden Beschwerden entgegenzuwirken und den Rücken somit wieder in die natürliche Form zu bringen.

Übung: Mach deinen Rücken ganz rund und lass die Schultern nach vorne hängen. Spür jetzt mal in dich hinein, wie es dir mit dieser Haltung geht.
☞ Wieviel Kraft und Selbstbewusstsein fühlst du gerade in dir?
Nun richte dich auf, zieh deine Schultern nach hinten unten, schiebe dein Brustbein nach vorne. Achte darauf, dass dein Kopf optimal ausgependelt auf deinem Hals sitzt. Stell dir vor, ein goldener Faden zieht
deinen Scheitel nach oben.
☞ Nun nimm wahr, wie du dich mit dieser aufrechten Haltung fühlst.

Was kannst du aktiv im Arbeitsalltag für deine Haltung, deine Wirbelsäule und deine Aufrichtung tun?

★ „Die nächste Position ist die beste“ heißt: Wechsle öfter deine Position. Sitze in verschiedenen Positionen, steh auf, geh herum, dehne und strecke dich. Das hält deinen Körper in Bewegung und die Gelenke geschmeidig.
★ Atme immer wieder tief in den Bauch und richte dich auf. Rotiere die Schultern nach hinten, um die obere Rücken- und die Schultermuskulatur etwas aufzulockern.
★ Drehe dich auf dem Sessel, runde deinen
Rücken bewusst und dann ziehe deine Schultern nach hinten unten und die Ellenbögen zusammen. Neige deine Wirbelsäule immer wieder nach links, nach rechts, nach vorne, nach hinten und gehe auch in eine sanfte Rotation.

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